Neues zum Anti-Aging – Bericht von der GSAAM-Konferenz 2018

Der Kongress der German Society of Anti Aging Medicine e.V. (GSAAM) im Juni 2018 in München konnte wieder mit vielen Highlights zum Thema Anti-Aging aufwarten. Besonders die Themen Digitalisierung und künstliche Intelligenz beschleunigen den Fortschritt auf dem Gebiet der Altersforschung mit beinahe schwindelerregender Geschwindigkeit. Lesen Sie mehr über seneszente Zellen, Metformin als verjüngendes Medikament, Transhumanismus und Stammzellen, die mit dem Plasma junger Menschen stimuliert werden.
Bislang war die Anti-Aging Medizin oft damit beschäftigt, bereits entstandene Schäden mittels Korrekturmaßnahmen von Lifting bis zum Bypass des Herzens wieder zu beheben. Umso erfreulicher ist es, dass wir nun die zellulären Mechanismen des Alterns immer besser verstehen lernen und so präventiv tätig werden können. Dies spiegelte sich auch in der Themenauswahl der GSAAM 2018 wieder, bei der reine Schönheitskorrekturen keine Rolle spielten. Dort drehte sich alles darum, Alterskrankheiten und Altersgebrechlichkeit zu vermeiden oder rückgängig zu machen.
Manche altern schneller als andere
Dass das biologische Alter (bezogen auf den biologisch-medizinischen Zustand des Körpers) lange nicht immer dem chronologischen Alter (Beginn mit der Geburt – Anzahl der Jahre) entspricht, ist mittlerweile bekannt. In der DUNEDIN-Studie zeigten neuseeländische Wissenschaftler, dass das biologische Alter bis zu zehn Jahre nach oben oder unten abweichen kann im Vergleich zum chronologischen Alter.
So zeigte sich, wer bereits im Kindesalter einer hohen Stressbelastung ausgesetzt ist, der leidet im Erwachsenenalter häufiger unter gesundheitlichen und psychischen Problemen. Auf molekularer Eben zeigten die Wissenschaftler, dass sich die Telomere der DNA (Telomere schützen die DNA vor Abbau und bewahren die Teilungsfähigkeit der Zellen, siehe auch unseren Artikel zur Telomerase) bereits im Kindesalter verkürzen und das Level an entzündungsfördernden Botenstoffen erhöht ist. Diese Kenntnisse werden es zukünftig möglich machen, die Stellschrauben des Alters besser zu verstehen und in jungen Jahren präventiv entgegen zu wirken.
In der großangelegten Studie haben neuseeländische Wissenschaftler in den Jahren 1972/73 begonnen, alle drei Jahre Daten zum psychologischen, medizinischen und sozialen Zustand von damals über 1000 Dreijährigen zu erheben. Mittlerweile sind 45 Jahre vergangen und es liegen zahlreiche Erkenntnisse über Entwicklung von Gesundheit, Psyche und sozialen Faktoren vor. Damit füllt diese Studie eine große Lücke bei der Kenntnis über die Geschwindigkeit des Alterns junger Menschen.
Das Mikrobiom als Schaltstelle des Alterns
Unser Darm beinhaltet mehr Bakterien als unser Körper menschliche Zellen besitzt – da stellt sich schon die Frage, wer eigentlich den größeren Einfluss hat – wir auf das Mikrobiom oder das Mikrobiom auf uns.
Einigkeit besteht inzwischen darüber, dass unser Körper eine Einheit aus Mikrobiom, Psyche, Hormonen und Nerven darstellt. Besonders das Immunsystem und die Psyche interagieren stark mit unserem Darm. Permanenter Stress bewirkt eine direkte Veränderung der Bakterienzusammensetzung im Darm. Krankheitsbilder wie Reizdarm und entzündliche Darmerkrankungen reagieren besonders sensibel auf psychischen Stress – umgekehrt können wir diese durch Entspannungstechniken gezielt lindern.
Man unterscheidet grundsätzlich drei verschiedene Besiedelungstypen (Enterotypen) des Darms. Dementsprechend ist die ideale Ernährung von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Kommt der eine gut mit Kohlehydraten zurecht, sind diese für den anderen nur schwer verdaulich und für den Dritten die Kalorienbombe schlechthin. Die immer wieder gestellte Frage „Welche Ernährung ist die Richtige?“ lässt sich dadurch sehr einfach beantworten: die eine Ernährungsform, die für jeden gleich gut ist, gibt es nicht. Vielmehr ist diese individuell abhängig von unseren Mitbewohnern im Darm.
Was aber allen Enterotypen sehr zuträglich ist: Stressreduktion (Yoga, Qi Gong, Biofeedback), die Förderung gesunder Bakterien durch Präbiotika (Ballaststoffe wie resistente Stärke oder Inulin, um die gesunde Flora gezielt zu stärken) und Probiotika (Nahrungsmittel, die günstige Bakterien enthalten – Joghurt oder Sauerkraut). Insbesondere durch die Aufnahme günstiger Ballaststoffe, produzieren die Bakterien im Darm kurzkettige Fettsäuren (Propionsäure, Buttersäure), die anti-entzündlich wirken und sich günstig auf das Herz-Kreislauf-System und Autoimmunerkrankungen auswirken.
Die ideale Anti-Aging-Behandlung steht auf vier Säulen
Eine alleinige Hormontherapie bringt uns nicht die Jugend zurück. Denn die Zusammenhänge im Körper sind komplex und greifen ineinander. So berichtete Frau Dr. Angelika Hartmann (München) aus ihrer Praxis, dass sie grundsätzlich Bewegung, Ernährung, Hormone und die psychomentale Stabilität in ihre Behandlung einbezieht.
Allgemeinen Ernährungstrends steht sie durchaus kritisch gegenüber. So kommen bei der populären Paleo-Diät zu wenig Obst und Gemüse auf den Teller und das Intervallfasten findet meist zur falschen Tageszeit statt. Grundsätzlich günstig sind die LOGI-Ernährung (Low Glycemic Index – Lebensmittel, die den Insulinspiegel wenig in die Höhe treiben) und die Mittelmeer-Diät. Beide Ernährungsvarianten ähneln sich und versorgen uns mit ausreichend Obst und Gemüse – und damit mit vielen günstigen Ballaststoffen. Außerdem wirken diese der Entstehung einer Fettleber entgegen.
Ihre klare Empfehlung: LOGI oder Mittelmeerkost, eine genaue Analyse des Hormonstatus und der Entzündungsaktivität im Körper sowie mäßiges Ausdauertraining.
Anti-Aging in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM)
Welche Rolle spielt das Anti-Aging eigentlich in der TCM? Dieser Frage widmete sich Prof. Jinfeng Chen aus München in seinem Vortrag.
Das Geheimnis liegt in einer Mäßigung in allen Bereichen, dem Vorbild der Natur nachzuahmen und auf diese Weise Körper und Seele gesund zu erhalten sowie Alterungs- und Verschleißerscheinungen zu verlangsamen.
So sollte im TCM weder zu heiß noch zu kalt gegessen werden. Sind die Speisen oder Getränke zu heiß, werden die Zellen und Gewebe geschädigt - sind die Speisen zu kalt, beeinträchtigt dies die Verdauung und Blähungen oder unvollständige Verwertung der Nahrung sind die Folge. Ebenso ist es nicht ratsam, komplett auf Fleisch zu verzichten oder sich nur von Fleisch und Protein zu ernähren. Basis der TCM-Ernährung bilden Gemüse und Kohlenhydrate (Reis), an Fleisch sollten etwa 40 bis 50 Gramm pro Tag verzehrt werden.
Beim Thema Bewegung sollten Sie sich ebenfalls Mäßigung verordnen. „Mit über 40 Jahren Gewichte zu stemmen ist doch nicht normal“ – so Prof. Chen. Moderate sportliche Aktivität durch Tai-Chi oder Qigong hält Muskeln und Sehnen beweglich und kräftig, sorgt aber keinesfalls für übermäßigen Verschleiß.
Und nicht zuletzt ist gesunder Menschenverstand angebracht. Wer sich im Winter ohne lange Unterwäsche im Freien aufhält, stört die Zirkulation des Blutes und sorgt für Blockaden.
Stammzellen durch das Plasma junger Menschen aktivieren
Die Idee klingt verlockend: man bekommt eine ganz normale Plasmaspende und erfährt dadurch sensationelle verjüngende Effekte. Was sich etwas verrückt anhört, scheint jedoch gerade Realität zu werden.
In einer Studie von 2014 wurden alte Mäuse durch die Infusion des Plasmas junger Mäuse verjüngt. Sie lernten plötzlich wieder genauso schnell wie junge Mäuse, das Herz gewann an Schlagkraft und die Muskeln zeigten mehr Stärke. Ganz offensichtlich aktivieren Boten- und Wachstumsfaktoren in dem Plasma jugendlicher Mäuse ruhende Stammzellen. Diese beginnen, sich zu teilen und verjüngen den Körper.
Erste Start-Up Firmen in Kalifornien und China haben die Idee vom „Young Plasma“ zum Businesskonzept. Wir dürfen gespannt sein, ob sich diese einfache Methode zukünftig durchsetzt.
Alte Medikamente neu entdeckt
Die sich rasant entwickelnde Altersforschung lässt uns immer besser verstehen, was beim Alterungsprozess in unserem Körper passiert. Vor diesem Hintergrund stehen auch alte Medikamente in einem ganz neuen Licht da.
Metformin wird seit über 40 Jahren zur Behandlung einer Insulinresistenz und des Typ-2-Diabetes eingesetzt. Die Hauptwirkung besteht in einer Blockade der Glucose-Neubildung in der Leber. Studien weisen zusätzlich daraufhin, dass Metformin das Krebsrisiko bei Typ-2-Diabetikern senkt. Durch eine Modulation des Zuckerstoffwechsels täuscht das Medikament scheinbar dem Fasten ähnliche Zustände vor. Dass das kurzzeitige Fasten der Erneuerung von Zellen dient, ist mittlerweile unbestritten. Sogar das Mikrobiom ändert sich positiv unter einer Therapie mit Metformin.
Bei so vielen guten Eigenschaften ist es nicht verwunderlich, dass das Medikament jetzt gezielt auf seine jung haltenden Eigenschaften in einer Studie untersucht wird. Die TAME-Studie (Targeting Aging With Metformin) ist die erste jemals durch die amerikanische Zulassungsbehörde FDA genehmigte Studie, die ein Medikament auf seine Wirkung gegen das Altern untersucht. Mit Ergebnissen der Studie ist in Kürze zu rechnen.
Wir Menschen altern scheinbar stark durch alte und verbrauchte Zellen (seneszente Zellen) in unserem Körper, die durch ein alterndes Immunsystem nicht mehr beseitigt werden. Seneszente Zellen sind äußerst aktiv und schütten zahlreiche Botenstoffe aus, die zu Alterserkrankungen, wie Diabetes-Typ-2, Krebs und Nierenschwäche führen. Deshalb beschäftigen sich Forscher damit, wie sie diese verbrauchten Zellen gezielt aus dem Körper entfernen können (siehe auch unseren Artikel "Das Alte muss raus"). Bei diesem Ansinnen ist Rapamycin neu entdeckt worden. Eigentlich wird dieses Medikament zur Unterdrückung der Immunabwehr nach Organtransplantationen eingesetzt.
In einer Studie an Mäusen zeigte sich bereits 2009, dass diese um ein Drittel länger lebten, wenn sie Rapamycin erhielten. Das wirklich Erstaunliche daran war, dass die Mäuse bei der Rapamycin-Gabe bereits 20 Monate alt waren – was dem Alter eines 60-jährigen Menschen entspricht. Scheinbar hatten sich einige Alterungsprozesse umgekehrt und zwar durch die Beseitigung seneszenter Zellen. Aufgrund der stark immunsuppressiven Wirkung ist eine Übertragung auf den Menschen nicht problemlos möglich. Zurzeit experimentieren Altersforscher jedoch an einer idealen Dosis.
Longevity – Altersgrenzen überwinden
Anti-Aging beschäftigt sich überwiegend mit dem Thema gesund zu altern und gesund im Alter zu sein. Manche Wissenschaftler geben sich damit aber nicht zufrieden, sondern stellen unsere begrenzte Lebensspanne grundsätzlich infrage und forschen an dem Thema Longevity (Langlebigkeit). Der bekannteste Vertreter dieser Forschung, Aubrey de Grey, wird gern zitiert mit seinem Satz: „Der erste Mensch, der 1000 Jahre alt wird, ist bereits geboren“.
Michael Greve stellte in seinem Vortrag das Konzept der Lebensverlängerung vor, das die Forver Healthy Foundation verfolgt. Dieses Konzept steht auf vier Säulen:
- Primäre Prävention (Ernährung, Detox, Selbst-Testung
- Früherkennung (Hautkrebs, Früherkennungsuntersuchungen)
- Funktionale Medizin (Ursachen von Symptomen bekämpfen)
- Rejuvenation Therapien (Stoffe, die das Altern verhindern oder umkehren)
Die Zukunft wird zeigen, wie wirkungsvoll die Maßnahmen sind und wie weit sich die Lebensspanne verlängern lässt.
Das Menschsein überwinden – Transhumanismus
Transhumanismus ist eine philosophische Denkrichtung, die die Grenzen der menschlichen Möglichkeiten intellektuell, physisch oder psychisch überwinden möchte. Der Präsident der GSAAM, Prof. Dr. Kleine-Gunk, provozierte in seinem Vortrag zu diesem Thema mit einem Augenzwinkern. Die Reaktion des Publikums war erstaunlich kontrovers. Für einige war es durchaus denkbar, dass wir demnächst unsere gesamten im Gehirn gespeicherten Informationen und Emotionen auf einer Festplatte oder einer Cloud speichern und eben auch jederzeit wieder abrufen könnten, für andere bedeutete dies pure Phantasterei.
Der Übergang von Mensch zu Maschine scheint zumindest vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung auf dem Gebiet künstlicher Intelligenz zu verwischen. Dinge, die vor zehn Jahren noch undenkbar schienen, sind längst Realität. Wer hätte damals gedacht, dass sich Smartphones derart schnell durchsetzen, so dass diese im Alltag nicht mehr wegzudenken sind, dass Pakete per Drohne ausgeliefert werden und selbstfahrende Autos als Prototyp auf unseren Straßen unterwegs sind.