Thüringer Wald: Wiege der Christbaumkugel

Geschrieben von Oliver Gerhard Zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 25 Oktober 2018
Christbaumkugeln aus Thüringen © Andreas Berheide - Fotolia.com
Christbaumkugeln aus Thüringen © Andreas Berheide - Fotolia.com

Glasbläserei - reine Erfahrungssache

Der Brenner faucht, der Feuerstrahl hüllt den Glaskolben ein, bringt ihn zum Glühen. Toni Weigelt dreht den dünnen, durchsichtigen Kolben an den Enden, dann bläst er hinein, dreht wieder in der bis zu 1.300 Grad heißen Gasflamme, bläst erneut. Die jahrelange Erfahrung sagt dem Glasbläser, wann die Größe stimmt – und für den Fall der Fälle kann er den Rohling an das Maß halten, das vor ihm liegt. 

Nun kommt der schwierigste Teil: Weigelt muss das Glas zur Glocke formen, mit einem Werkzeug aus verdichteter Kohle drückt er die weich gewordene Masse ins Innere der Kugel, dreht erneut, formt: Die Glocke ist fertig. „Dabei entsteht viel Spannung an der Kante, das Glas kann brechen“, sagt Ines Zetzmann, Leiterin der Glasbläserei „Der Christbaum“ im thüringischen Lauscha.

Glaskugeln wurden aus der Not erfunden

Gerhard Thueringen Weihnacht 7890

In der kleinen Stadt, die einst als Waldglashütte gegründet wurde, ist das ganze Jahr über Weihnachten – und das schon seit mehr als 150 Jahren: Hier wurde die Christbaumkugel erfunden. Der Legende nach waren die Glasbläser Mitte des 19. Jahrhunderts so bettelarm, dass sie ihren Kindern nicht einmal ein paar Walnüsse oder Äpfel an den Weihnachtsbaum hängen konnten, wie es damals üblich war.

Einer von ihnen soll daher Äpfel aus Glas geblasen haben, denn Rohmaterial gab es zur Genüge – die Quarzsande kamen aus den Bächen des Thüringer Waldes. 1847 tauchte der neue Baumschmuck zum ersten Mal in einem Katalog auf, später traten die hauchdünnen Kugeln einen Siegeszug durch Amerika an. Kaiser Wilhelm ließ angeblich 1871 – Frankreich war besiegt – einen Weihnachtsbaum in Versailles damit schmücken. 

Weihnachten das ganze Jahr

Heute läuft in Lauscha schon im Februar die Produktion an – manche Weihnachtsläden in Skandinavien und Japan wollen ab April beliefert werden. In vielen der schieferverkleideten Häuser des Ortes haben Werkstätten ihren Sitz, ein großer Teil der 3.500 Einwohner hat noch eine der charakteristischen Gaslampen zuhause. Das Rohmaterial erhalten sie aus der alteingesessenen Farbglashütte, in der Glasmacher mit meterlangen Stäben farbige Glasstangen produzieren – Be-sucher dürfen ihnen dabei über die Schulter sehen.

Jede Figur hat ihre Bedeutung

Ines Zetzmann hat sich im Laufe der Jahre zu einer Weihnachtsbaum-Expertin entwickelt. In ihrem Laden stehen geschmückte Bäume in Reih und Glied – von bürgerlich bunt mit vielen Figuren bis zu aristokratisch mit viel Silber. Gefragt sind nicht nur Kugeln, sondern auch figürlicher Baumschmuck. „Jede Figur hatte eine besondere Bedeutung“, sagt Zetzmann: Vogelfiguren sollen die Zugvögel zurücklocken, damit der Frühling wiederkommt. Tannenzapfen stehen für die Fruchtbarkeit der Natur. Glocken sollen die Familie vor Gefahr bewahren. Und die Baumspitzen aus wilhelminischer Zeit erinnern an die preußische Pickelhaube.
In den Tagen vor Weihnachten wird im Akkord gearbeitet: Die Arbeiterinnen verspiegeln die geblasenen Kugeln von innen mit einer Silbersalzlösung, tauchen sie dann in Farbe und bemalen sie nach dem Trocknen mit Farben nach uralten Familienrezepturen. Als Hilfsmittel nutzen sie Pinsel aus Eichhörnchen-Schwanzspitzen, damit keine Streifen entstehen. Nebenan wird indessen weiter geblasen, der Gasbrenner faucht, die Flamme zischt um das glühende Glas.

INFORMATIONEN

Auskunft: Thüringen Tourismus GmbH, Willy-Brandt-Platz 1, 99084 Erfurt, Tel. 0361/37420, www.thueringen-tourismus.de, www.lauscha.de.

Unterkunft: Hotel Schieferhof, familiengeführtes Hotel mit gemütlichem Ambiente, Restaurant mit neu interpretierter Thüringer Küche, DZ ab 78 Euro inkl. Frühstück, Eisfelder Straße 26, 98724 Neuhaus am Rennweg, Tel. 03679/7740, www.schieferhof.de.

Weihnachtsschmuck: Das Museum für Glaskunst zeigt unter anderem historischen Christbaum-schmuck, Di.-Sa. 12-17 Uhr, So. ab 11 Uhr, Straße des Friedens 46, 98724 Lauscha, Tel. 036702-20724, www.glasmuseum-lauscha.de.

Die Farbglashütte Lauscha bietet eine Erlebnistour und eine große Weihnachts-Verkaufsschau sowie Workshops im Christbaumschmücken, Mo.-So. 10-17 Uhr, Straße des Friedens 46, 98724 Lauscha, Tel. 036702/2810, www.farbglashuette-lauscha.de.

„Der Christbaum“ stellt Kugeln und weiteren Baumschmuck nach historischen Vorlagen her, außerdem Kreativangebote mit Kugel malen und blasen (jeweils 7 Euro p.P.), Am Herrenberg 7c, 98724 Neuhaus am Rennweg, Tel. 03679/725194, www.derchristbaum.com

Die Glasstadt Lauscha veranstaltet an ausgewählten Advent-Wochenenden einen großen Kugelmarkt, geöffnet jeweils 10-18 Uhr, www.lauscha.de.

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